© DAWN denim by Marlen Müller, Alexander Koerner, Getty Images for MBFW, nat-2
Von Rosenviscose bis Circularity – über diese Trends und Brands spricht (nicht nur!) die nachhaltige Fashionszene
Nachhaltige Mode verzichtet weitgehend auf Trends – zumindest auf optische. Hier geht es weniger um „Braun ist das neue Schwarz“ oder „Welcome back Flowers“ & Co. Circular Economy, Up-, Down-, Recycling sowie innovative Materialien für eine verantwortungsvolle Modezukunft sind die Themen, um die es sich in der nachhaltigen Modeszene dreht. Changing the Fashion Game
Noch nie war das Angebot an eco fair produzierter Mode so groß wie heute – auf den Runways von Berlin bis Mailand, bei den Big Bäng Awards von Amfar bis Oscar rund um den Globus genauso wie auf den konventionellen Modemessen in Berlin. Neben der NEONYT (Messe Frankfurt), der weltweit größten Messe für nachhaltigen Mode, die vor elf Jahren von Magdalena Schaffrin gegründet wurde und genauso lange schon die Nachhaltigkeit in ihrer DNA verankert hat, haben jetzt auch die konventionellen Messen das zeitgeistige Thema für sich entdeckt und verschiedene Formate auf die Agenda gesetzt.
Nachhaltige Mode ist gekommen, um zu bleiben.
Was sich im Januar 2019 angekündigt hat, hat sich konsequent fortgesetzt: Denn nachhaltige Mode ist gekommen, um zu bleiben. Und ist endlich für den Konsumenten auch leichter verfügbar durch großartig kuratierte Onlineshops wie staiy.com, thewearness.com und avantgardress.com
NEONYT
100 Prozent konsequent und immer schon in der DNA – die B2B-Messe, oder genauer gesagt der globale Hub für Fashion, Sustainability und Innovation. Der im Januar 2020 sein neues Zuhause im „Hangar 4“ in Berlin Tempelhof gefunden hat und noch nie so homogen hochwertig wie in dieser Saison war. 220 Brands haben alle Facetten der nachhaltigen Mode von Bio-Baumwolle bis hin zu innovativen Fasern (u.a. Lenzing, Rosenviskose von Like A Bird), Zertifizierungsprogrammen (z.B. OEKO-TEX) und Textilsiegeln (u.a. GOTS etc.) aufs Display gebracht.
„Die Neonyt sieht Nachhaltigkeit nicht nur als Modetrend, sondern als ganzheitlichen Innovationsprozess für die gesamte Branche.“ Olaf Schmidt, Vice President Textiles and Textile Technologies (Messe Frankfurt)
NEONYT Show
Definitiv richtungsweisend und ein Highlight mit maximaler Strahlkraft ist seit Januar 2019 die Fashionshow der NEONYT, die inzwischen in der offiziellen Mercedes-Benz Fashion Week Schauen-Location gezeigt wird. Stylistin und Co-Gründerin des Fashion Council Germany Claudia Hofmann hat mit den Multi-Brand-Looks nationaler und internationaler Eco Brands in Serie Inszenierungen an den Tag gelegt, die ihresgleichen suchen. Das Ziel? Nachhaltige Mode auf ein internationales Level zu heben. Mit inhaltlich aufgeladenen Styles hat sie inzwischen drei Saisons in Folge die deutsche Magazin-Elite in die Front Row gespült und nachhaltiger Mode ein neues Image verpasst. Mission definitiv erfüllt.
Die Denim-Offensive. Geht doch!
Ein wirklich wichtiges Thema, bedenkt man, dass die Denimproduktion der Umweltsünder Nr. 1 innerhalb der Textilindustrie ist. Die Weltbank schätzt, dass ganze 17 bis 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung aus dem Färben und Veredeln von Textilien resultieren. Dass das nicht sein muss, zeigen nachhaltige Denimbrands wie DAWN Denim, ONE OFF Sue, Mud Jeans, Wunderwerk und Goodsociety. Der optische Unterschied? Keiner. Die neoneuen Denims unterscheiden sich ausschließlich in der Art ihrer Produktion. Tausende Liter Wasser und Chemikalien sind bei der konventionellen Denim-Produktion nötig und gefährden Mensch und Natur. Smarte Detox-Kampagnen innovativer Denim-Brands zeigen, dass unser blauer Lieblingsstoff auch mit deutlich geringerem Impact auf Mensch und Natur produziert werden kann.
Smarte Denim-Alternativen: Detox, Recycling & Co.
Bio-Baumwolle (z.B. Armedangels, hessnatur), recycelte Baumwolle und PET für #lowimpact Denim (z.B. DAWN Denim), zirkuläre Ansätze wie Leasing- (z.B. Mud Jeans), Repair- und Bring-back-Konzepte (z.B. Nudie Jeans) – die Liste für smarte Alternativen zur wasser- und pestizidintensiven Baumwolle lässt sich noch lange fortsetzen. GOOD news: Laufend kommen neue Brands und Capsule Collections auf den Markt, die mit technologischen Innovationen (z.B. Dry Ice by DD Garment Solutions) und anderen nachhaltigen Entwicklungen die Denim-Branche besser machen.
Das neue Neu: Materialinnovationen, Circularity & Co.
Ein zentrales Charakteristikum der nachhaltigen Mode? Die Weiterentwicklung. Hier geht es nicht ausschließlich um „schön“ und um die Ästhetik. Hier geht es um ästhetische Alternativen, Innovationen und Lösungsansätze, die versuchen den Impact der Mode auf Mensch und Natur weiter zu reduzieren. Dazu zählen smarte Methoden Wasser zu sparen, den Färbeprozess zu optimieren, der Verzicht auf Pestizide und Chemikalien sowie innovative Materialien, die keine neuen Ressourcen verschwenden und natürlich die Weiterentwicklung in Richtung Kreislaufwirtschaft mit Themen wie Re- und Upcycling.
Algen, Heu und Müll: innovative Materialien
Heu, Pilze, Kaffee, Rosen, PET, Moos, Glas, Holz oder mit Skeleton Leaves eines Gummibaums sind die Materialien, die Sebastian Thies für sein immer wieder ausgezeichnetes Sneaker-Label nat-2 aus Garching bei München verwendet. Die spanische Brand Ecoalf hat seinen Sneakern aus recyceltem Meeresplastik (Obermaterial) eine Sohle aus Algen verpasst. Christina Bussmann produziert seit Jahren Taschen aus Piñatex (auch bekannt als ‚Ananasleder‘). Noch neuer: Kleider aus Rosenviskose, einem Material, das sich nicht nur gut auf der Haut anfühlt, sondern kompostierbar ist und Shirts aus Kaffeekarbon, das aus Abfällen der Kaffeeindustrie gewonnen wird (beides Like a bird).
Apfeltrester ist viel zu schade für den Biomüll. Hannes Parth, frumat
Cartina, ein spannender Stoff aus Recycling-Papier, den z.B. das Braunschweiger Taschenlabel Humour Noir für seine veganen Bags verwendet sowie Appleskin, produziert aus Apfeltrester, der beim Pressen von Äpfeln entsteht und als täuschend echter Lederersatz für Taschen (u.a. Nuuwai) funktioniert. Elsien Gringhuis arbeitet mit schmutzabweisenden Stoffen, die weniger oft gewaschen werden müssen. Manaomea arbeitet mit Stoffresten (u.a. AA Gold) und stellt daraus Stifte her.
Des einen Müll, des anderen Textil
Nicht mehr ganz neu aber immer noch unglaublich wichtig ist das Thema Meeresmüll, das inzwischen in den unterschiedlichsten Kleidungsstücken und Accessoires einen sinnvollen Verwendungszweck gefunden hat. Neben Sneaker- und Backpack-Brands hat vor allem der Bereich Swimwear diese Meeresfunde für sich entdeckt und nutzbar gemacht. Brands die sich den Plastikmüll zunutze machen und damit ihren Beitrag zur Reinigung der Ozeane leisten sind u.a. Boochen, Mymarini, Margaret und Hermione.
The next big thing: Circularity
Nichts geht mehr ohne Circularity. Und das ist gut so. Denn in den vergangenen 15 Jahren hat sich das Produktionsvolumen der Modeindustrie verdoppelt. Das einzelne Kleidungsstück wird immer weniger getragen und schneller entsorgt. Gerade mal ein Prozent aller Textilien wird recycelt. Das muss sich ändern. Textilien müssen ins System zurückgeführt und wiederverwertet werden. Das deutsche Outdoor-Label Pyua entwickelt beispielsweise ausschließlich hochwertige Funktionsbekleidung aus bereits recycelten bzw. recyclingfähigen Polyester-Materialien, die sie zu 100 Prozent in einem geschlossenen Kreislauf verwerten können. Einen ähnlichen Ansatz in Bezug auf Denim verfolgt Mud Jeans. Dank zweier Investoren wird es der holländischen Jeansmarke, die aktuell bereits 40 Prozent recycelte Baumwolle verwendet, gelingen, vollständig zirkuläre Jeans aus 100 Prozent alten Jeans zu entwickeln. Bis dahin kann man Jeans weiterhin leasen und so den Kreislauf schließen.
Reduce, reuse, recycle.
The Change of Fashion is now – der Claim der NEONYT – ist so realistisch wie nie zuvor. Mit innovativen Konzepten und dem Bewusstsein, dass ein wie auch immer gearteter Wandel nicht nur unumgänglich, sondern erforderlich ist.
Deutschland hat sich laut Fashion Waste Index (Labfresh) Platz 10 unter den meist textilverschmutzenden Ländern Europas gesichert. Knapp fünf Kilogramm Textilmüll verursachen wir pro Kopf. Lediglich 500 Gramm davon sind recycelbar, bzw. 400 Gramm sind wiederverwertbar. Die restlichen knapp drei Kilogramm werden verbrannt (1,2 kg) oder landen auf der Mülldeponie. (2,7 kg). Heißt: „Buy less but better!“