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Magdalena Schaffrin

Magdalena Schaffrin – Deutschlands Nachhaltigkeitsakteurin No. 1

Ganze fünf Monate hat es gedauert, bis ich Teil 1 des Interviews mit Magdalena Schaffrin online gestellt habe. Ja, so ist das in der Selbständigkeit, wenn man ein Start-up aufbaut und versucht die Welt zu retten.
Magdalena Schaffrin
Mirjam Smend und Magdalena Schaffrin

Magdalena ist Deutschlands wichtigste Nachhaltigkeitsakteurin und meine persönliche Eco-Ikone. Sie hat nicht nur dazu beigetragen, dass ich heute das tue, was ich tue. Ich war bei ihrem ersten Greenshowroom, den sie vor über zehn Jahren gemeinsam mit Jana Keller während der Berlin Fashion Week im Hotel Adlon organisiert hat. Mit 16 Brands. Zwei Jahre später wurde ihr Konzept von der Messe Frankfurt gekauft. Die Ethical Fashion Show aus Paris kam später dazu und seit 2019 ist das nachhaltige Messeduo, das die die gesamte Branche verändert hat, zur NEONYT (sprich: neonüt) fusioniert.

Magdalena ist Deutschlands wichtigste Nachhaltigkeitsakteurin und meine persönliche Eco-Ikone.

Heute ist sie unter anderem Creative Director der NEONYT, dem globalen Hub für Mode, Innovation und Nachhaltigkeit. Dass seit Juli 2019 auch andere Messen in Berlin das Thema Nachhaltigkeit groß in ihrer Kommunikation spielen, tut dem maximalen Erfolgskurs der NEONYT keinen Abbruch. In der DNA hat schließlich nur die NEONYT das Thema.

Mirjam Smend: Ihr habt ja nicht nur den Namen geändert, sondern an ein paar Stellschrauben gedreht. Was ist denn seit Juli 2019 „neoneu“?
Magdalena Schaffrin: Wir kommen von den beiden Veranstaltungen Greenshowroom und Ethical Fashion Show. Seit wir beide Veranstaltungen in eine Location gezogen haben, haben wir die doppelte Kommunikation, getrennte Websites, getrennte Pis, zwei Instagram-Kanäle. Und am Ende wussten die Leute nicht, auf welcher Veranstaltung sie gewesen sind.

Mirjam Smend: Und dann?
Magdalena Schaffrin: Den Namen nach zehn Jahren zu verändern war ein großer Wunsch von mir. In Kombination mit einem neuen Konzept. Wir haben uns zu einer Strategierunde zusammengesetzt und uns gefragt, wie eine Messe in der Zukunft aussieht. Was muss eine Messe leisten? Was haben wir für Potenziale? Das Messewesen steckt genauso wie der Einzelhandel und viele weitere Branchen in einer Krise. Dann haben wir den Hub entwickelt, dessen Kernstück die Messe ist. Die Labels sind deutlich kuratierter, modischer. Genauso wie die Kommunikation. Wir müssen aufhören über nachhaltige Mode zu reden. Aber das dauert wahrscheinlich noch 20 jahre.

Wir müssen eine Sprache für diese Art von Mode entwickeln. – Vanessa Friedman

Mirjam Smend: Nachhaltig ist ja auch ein fürchterlich sprödes und abgenutztes Wort.
Magdalena Schaffrin: Vanessa Friedman sagt auch bei jedem Copenhagen Fashion Summit, dass wir eine Sprache für diese Art von Mode entwickeln müssen. Wir müssen die richtigen Worte finden, um sie zu beschreiben. Auch für die Klarheit in der Kommunikation brauchen wir einheitliche Worte. Wir reden alle über grün. Grün ist was anderes als ethical. Aktuell nutze ich deshalb wieder „Nachhaltigkeit“. Weil es einfach der umfassendste Begriff ist, weil es alle Aspekte miteinschließt. Als wir noch beide Veranstaltungen gemacht haben, haben wir über eco-faire Mode gesprochen, um klarzustellen, dass es um beide Aspekte geht. Heute ist das ja im Verständnis drin.

Magdalena Schaffrin
© NEONYT/Messe Frankfurt

Mirjam Smend: Du hattest auch Dein eigenes Label und hast deshalb Insights von der Designer Seite. Gab es früher schon mal die Bestrebung in Richtung Nachhaltigkeit zu arbeiten?
Magdalena Schaffrin: 2009 gab es eine Stimmungslage, die dem Thema Luft gegeben hat. Es gab plötzlich die Lohas als neue Zielgruppe, über die viel geschrieben wurde. Mit der Finanzkrise waren viele Leute in einer Sinnkrise und haben Fragen gestellt. Da kam ganz schön Schwung rein und es wurde viel diskutiert. Dann haben einige angefangen an dem Thema zu arbeiten und habenfestgestellt, dass das alles gar nicht so einfach ist.

Ich hatte gedacht, dass wir in 10 Jahren die Mode deutlich stärker verändert bekommen.

Mirjam Smend: Und jetzt gibt es einen neuen Anlauf?
Magdalena Schaffrin: Jetzt haben wir wieder so ein Momentum. Das Thema kommt noch größer, weil es gesellschaftlich ganz anders verankert ist. Auch durch die junge Generation, die jetzt auf die Straße geht und fordert, dass wir diese Erde retten und das Klima in den Griff bekommen. Natürlich auch über die Vereinten Nationen und die Politik, die das Thema pushen und die Firmen, die mit ihren Initiativen rausgehen. Deshalb habe ich das Gefühl, dass das Thema omnipräsent ist. Wenn man aber wirklich unter dem Strich schaut, wie sich das Thema verändert hat, ist es immer noch viel zu wenig. Ich hatte gedacht, dass wir in 10 Jahren die Mode deutlich stärker verändert bekommen.

Mirjam Smend: Das Angebot und der Wunsch es anzunehmen ist größer – wieso kommt es dann doch nicht im Kleiderschrank der Konsumenten an?

Magdalena Schaffrin: Diese Mind Behavior Gap gab es vor 10 Jahren auch schon. Warum sagen eigentlich alle Leute in den Umfragen immer, dass sie nachhaltig konsumieren wollen und tun es dann doch nicht? Sie wollen mehr Geld ausgeben und tun es dann doch nicht. Ich glaube, dass Mode ein so emotionales Thema ist, dass unsere Psychologie uns ein Schnäppchen schlägt. Wenn ich konsumiere, werden Glückshormone ausgeschüttet.

Konsum macht süchtig, wie Schokolade oder andere Suchtmittel.

Es macht süchtig, wie Schokolade oder andere Suchtmittel. Man möchte sich dieses gute Gefühl erkaufen. Das ist eine ganz andere Aktion als mit dem Kopf ranzugehen und zu sagen „ich möchte nachhaltiger leben“. Eigentlich möchte ich keine Süßigkeiten essen und dann isst man sie doch, wenn sie dastehen, weil man einem Impuls folgt. Nur wenn nachhaltige Produkte diese Attraktivität besitzen, werden sie auch mit dem Impuls gekauft. Das ist der Schlüssel.

Magdalena Schaffrin
© Stefan Knauer, Getty Images for NEONYT

Mirjam Smend: Soll man dann gar nicht mehr kommunizieren, dass ein Produkt nachhaltig ist?
Magdalena Schaffrin: Es gibt ja Brands, die nachhaltig produzieren und nicht darüber sprechen.

Mirjam Smend: Zurück zu dem was Du damals gegründet hast. Du hast damals, als Du mit Jana Keller den Greenshowroom gegründet hast, etwas gesehen, was heute aktueller ist denn je, nämlich dass nachhaltig nicht öko aussieht. Gibt es diese Brands denn heute noch?
Magdalena Schaffrin: Das habe ich tatsächlich nicht vollständig auf dem Schirm. Aber ich weiß, dass keine der 16 Brands, die damals bei uns ausgestellt haben, heute auf der NEONYT ist.

Mirjam Smend: Was machen die Brands heute anders als damals?
Magdalena Schaffrin: Ich habe viele Brands kommen und gehen sehen. Aber ich muss sagen – und diesen Unterschied spürt man tatsächlich sogar zwischen Januar und jetzt (Juli) – dass sich die Branche professionalisiert. Die Brands machen sich Gedanken über ihren Markenauftritt. Die Kollektionen werden kommerzieller, die Stände sehen anders aus. Es gibt auf einmal eine andere Auswahl und größere Kollektionen. Man merkt, dass die Labels wachsen. Es gibt anscheinend eine gesteigerte Nachfrage.

Magdalena Schaffrin
© NEONYT/Messe Frankfurt

Mirjam Smend: Du hast aus der Intention heraus gegründet, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Magdalena Schaffrin: Jana Keller und ich haben damals eine Plattform gesucht, auf der wir uns repräsentiert fühlten. Die haben wir nicht gefunden. Wir wollen nicht auf eine Öko-Messe, aber auch nicht auf eine konventionelle Messe. Die hatten das Thema zwar auch schon aufgegriffen, aber nicht mit der Ernsthaftigkeit, die wir uns gewünscht hätten. Dann haben wir eine Veranstaltung gemacht, die sich ausschließlich auf coole, hochwertige, schöne und nachhaltig produzierte Mode spezialisiert. Das war neu.

Wir haben eine Veranstaltung gemacht, die sich ausschließlich auf coole, hochwertige, schöne und nachhaltig produzierte Mode spezialisiert.

Mirjam Smend: Das waren 16 Brands im Hotel Adlon und jetzt sitzen wir zehn Jahre später im Kraftwerk mit 170 Brands. Ist ein Traum für Dich in Erfüllung gegangen?
Magdalena Schaffrin: Mich beeindrucken ja Zahlen nicht so sehr. Mir ist es nicht so wichtig, dass wir sehr, sehr viele Marken haben und die größte Plattform sind und andere Superlative kommunizieren. Mir ist wichtig, dass parallel zu der coolen und klaren Kommunikation die mit der Neuausrichtung entwickelt haben, die Qualität stimmt. Und das sollte sich auch im Ausstellerportfolio widerspiegeln.

Mirjam Smend: Im Januar war erstmals Eure Show in der offiziellen MBFW Schauenlocation. Da hattet Ihr das Thema Wasser als zentrales Thema. Diesmal war es Denim. Wieso Denim?
Magdalena Schaffrin: Unser Oberthema war weiterhin für das restliche Jahr Wasser. Das Thema für 2020 ist Luft. Die großen Elemente, die die Branche am meisten umtreiben – Luftverschmutzung, Wasserverbrauch. Wir wollten das Thema Denim im Sommer stärker verankern, weil Denim ein Material ist, das sehr viel Wasser verbraucht. Es gab auch ein paar Formate zu dem Thema. Ein perfektes gestalterisches Thema zusätzlich zu den anderen Gesichtspunkten auf der Modenschau.

Das Thema für 2020 ist Luft. Die großen Elemente, die die Branche am meisten umtreiben – Luftverschmutzung, Wasserverbrauch.

Magdalena Schaffrin
© Stefan Knauer, Getty Images for NEONYT

Mirjam Smend: Seit Januar sitzen ja auch die Vertreterinnen der großen Modemagazine in der ersten Reihe und reden anschließend auf Doppelseiten und ganzen Strecken über Eure Show. Was war das größte Kompliment das du für die Show bekommen hast?
Magdalena Schaffrin: Das erste Feedback nach der Show? Eine Journalistin hat mir gesagt, wie überrascht sie war. Damit hätte sie nie gerechnet. Nächstes Mal möchte sie noch größer darüber berichten. Auch im Vorfeld schon.

Mirjam Smend: Eco oder öko – wie sexy ist nachhaltige Mode? Wie sexy findest Du sie denn?
Magdalena Schaffrin: Genau dafür stehen wir: Für Sexiness, für Coolness, die Modernität. Da geben wir uns alle Mühe, auch natürlich mit der Show, mit der wir eine andere Zielgruppe erreichen, als hier in der Messearea.

Wir stehen für Sexiness, für Coolness, die Modernität.

Mirjam Smend: Die Brands, die Ihr in der Show zeigt, sind nicht alles NEONYT Brands.
Magdalena Schaffrin: Wir haben hier auf der Messe ein Markenportfolio. Man könnte auch daraus eine Show machen, aber dann haben wir in dem Sinne nichts Neues. Wir machen die Show mit ca. 80 Brands, die nicht unbedingt Aussteller sind. Wir wollen das Image verändern und Bilder in die Welt schicken. Nicht alle diese Brands wollen und können hier ausstellen, weil sie in Berlin nicht ihre Absatzmärkte haben.

Mirjam Smend: Und wie korrespondiert das mit dem Hub?
Magdalena Schaffrin: Mit dem Hub wollen wir in möglichst viele Richtungen kommunizieren: Mit der Konferenz wollen wir viele Leute und Formen aus den Lieferketten reinholen. Wir wollen über technologische Innovationen reden. Am einen Ende stehen quasi die zwei Microfactories am anderen Ende die Fashionshow. Das spricht ganz unterschiedliche Zielgruppen an und kreiert unterschiedliche Bilder.

Mit dem Hub wollen wir in möglichst viele Richtungen kommunizieren.

Mirjam Smend: Ihr habt ja, wie auch ARD und ZDF einen Informationsauftrag. Ihr seid das zentrale Medium, um das Thema weiterzubringen. Das ist schon eine große Verantwortung.
Magdalena Schaffrin: Andere gehen auch in die Nachhaltigkeitskommunikation hier in Berlin. Das sind ja nicht nur wir. Wir haben die Kompetenz über zehn Jahre. Wir kennen die Lieferketten gut und haben Anschluss an das TexpertiseNetwork der Messe Frankfurt. An die ist das Thema Nachhaltigkeit nicht erst mit der Übernahme des Greenshowroom und der Ethical Fashion Show in Paris herangekommen. Die Messe Frankfurt hatte das auch schon vorher auf ihren Textilmessen mit der Green Directory, in der nachhaltige Produzenten aufgelistet wurden, integriert. Wir wissen was wir tun.

Teil 2 des Interviews folgt nach der NEONYT…