Als ich Julia Post kennengelernt habe, waren Influencer und Content Creator noch Blogger*innen. Damals gab es eine hoch motivierte und ziemlich aktive Münchner Slow Fashion Community, die sich ausgetauscht und getroffen hat (Salon Green), Events organisiert hat (legendär, der Fashion Revolution Day in der Fußgängerzone in München).
Inzwischen sind fast alle Mitglieder der Münchner Truppe irgendwohin weitergegangen (Spoiler: Es ist nicht einfach, ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören – mehr dazu in meinem LinkedIn Newsletter >>>). Heute arbeiten sie als Coaches, haben einen Onlineshop gegründet und beraten nachhaltige Brands, leiten Performance Marketing Agenturen, haben die Kommunikationsplattform GREENSTYLE (*zwinker*) gegründet oder sind in die Politik gegangen. So wie Julia Post.
Julia Post hatte damals schon eine eigene Bewegung gegründet – ihr Coffee To Go Again Projekt >>>, die sich für den freiwilligen Verzicht auf Einmalbecher einsetzt. Sie wurde Teil der Zero-Waste-Community und hat dazu noch ein Buch geschrieben (Weitere Informationen zum Buch >>>). Ein Kampf gegen Windmühlen. 2017 sagt auch die Stadt dem Pappbecher den Kampf an. Danke, Julia! Ihr Engagement gilt seitdem der Abfallvermeidung, der Kreislaufwirtschaft und einem schonenden Umgang mit unseren Ressourcen und Lebensgrundlagen.
So geht gelebter Wandel. Auch in der Politik
Julia möchte nicht länger nur an Entscheidungsträger*innen heranreden. Sie will die Entscheidungen selbst treffen, Prozesse beschleunigen und systemische Veränderungen bewirken können. Also studiert sie an der FernUniversität Hagen Politikwissenschaften (B. A.) und Governance (M. A.). Seit März 2020 ist Julia im Münchner Stadtrat. Im gleichen Jahr ist sie der Fraktion Die Grünen – Rosa Liste beigetreten. Dort ist sie insbesondere für Wirtschaftspolitik, eine nachhaltige öffentliche Beschaffung und Kreislaufwirtschaft bzw. Abfallvermeidung zuständig. Im Oktober wurde sie von ihrer Partei als Direktkandidatin für den Münchner Westen für die Bayerische Landtagswahl 2023 nominiert (Stimmkreis 106 München-Pasing).
Julias Themen: Green Economy. Social Innovation. Future Work.
Gerade durften wir Julia zu einem Panel zum Thema „Nachhaltige Modelabels. Chancen & Herausforderungen für die Kreativwirtschaft in München“ bei unseren PUREVIU Panels im Münchner Rathaus >>> begrüßen und sind überglücklich, dass München neben der zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden mit ihr noch eine Person im Rathaus hat, die unsere textilen Themen versteht. Und weil Julia genau das tut, stellt sie anlässlich des 10. Jahrestages des Einsturzes des Rana Plaza Gebäudes in Bangladesch (Fashion Revolution), bei dem über 1.300 Textilarbeiter*innen gestorben sind, einen Antrag zur nachhaltigen und fairen Beschaffung von Arbeits- und Dienstkleidung in München
Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) wird gebeten, die Vergabestellen und die städtischen Referate zu unterstützen, die Beschaffung im Textilbereich für die Stadtverwaltung so konsequent wie möglich auf Nachhaltigkeit und faire Standards auszurichten.
Ich habe Julia dazu ein paar Fragen gestellt:
GREENSTYLE: Ein Antrag zu nachhaltiger und fairer Beschaffung im Textilbereich, in diesem Fall von Arbeits- und Dienstkleidung. Warum ist dieses Thema so wichtig, dass ihr einen Antrag dazu formuliert habt?
Julia Post: Der Textilbereich ist ein besonders wirksamer Hebel für Verbesserungen im Bereich Umwelt und Arbeitsbedingungen: Ca. 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen werden durch ihn verursacht. Außerdem kommt es dort nach wie vor zu Zwangsarbeit und schwerwiegenden Arbeitsrechtsverletzungen. Obendrauf entstehen auch noch Massen an Textilabfällen. Davon werden weltweit weniger als ein Prozent recycelt und wiederverwendet. Hinzu kommt ein enormer Wasserverbrauch und -verschmutzung durch die Produktion und Färbung von Textilien. Gleichzeitig macht die öffentliche Beschaffung in Deutschland mit einem Volumen von rund einer halben Billion Euro etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die öffentliche Hand ist damit einer der wichtigsten Marktteilnehmer*innen. Mit einem Anteil von etwa 58% sind dabei die Kommunen mit großem Abstand die größten öffentlichen Beschafferinnen. Und München ist die größte Kommune Deutschlands. Wir haben also eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion.
GREENSTYLE: Von was für einem Volumen sprechen wir – wieviel städtische Arbeitskleidung ist im Umlaufß
Julia Post: Die Stadt München kauft durchschnittlich jedes Jahr für ca. 3,9 Mio € Textilien ein.
Die Stadt München kauft durchschnittlich jedes Jahr für ca. 3,9 Mio € Textilien ein.
GREENSTYLE: Wo steht München im bundesweiten Vergleich hinsichtlich der Erreichung des Ziel 12 der Agenda 2030 „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster im bundesweiten Vergleich?
Julia Post: München hat seit den 1990er Jahren immer wieder eine Vorbildfunktion und bundesweite Vorreiterrolle eingenommen, bspw. mit Stadtratsbeschlüssen gegen ausbeuterische Kinderarbeit. Aber Du weißt es als Unternehmerin selbst am besten: Every day is day one. Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir wollen, dass das so bleibt. Und genau deshalb müssen wir weitere Initiativen wie diese starten. Zumal wir speziell im Textilbereich echt noch Luft nach oben haben und sich gerade dort in den vergangenen Jahren ja auch unglaublich viel getan hat. Diese Entwicklungen müssen wir in unserer Beschaffungspolitik abbilden und sie updaten.
GREENSTYLE: Jetzt mal realistisch: Wie schnell kann so ein Projekt umgesetzt werden?
Julia Post: Die Verwaltung ist die Umsetzerin solcher Anträge und hat jetzt 6 Monate Zeit einen Vorschlag zu dem Thema zu erarbeiten, den wir dann beschließen können. Das ist dann immer noch erst mal nur ein Beschluss auf Papier. Aber der bildet die Grundlage, damit dann wirklich auch etwas passiert. Und das heißt nicht, einfach nur einen Knopf zu drücken, sondern das ist ein Prozess. Realistischerweise startet das also in ca. einem Jahr und wirkt dann langfristig, bspw. mit Schulungen für die Mitarbeitenden in der Verwaltung oder die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft durch das Fachgespräch, das Teil unseres Antrags ist.
GREENSTYLE: Können sich hier entsprechende Unternehmen / Produktionsstätten melden und bewerben, wenn sie nachhaltige Arbeits- und Dienstkleidung herstellen?
Julia Post: Auf Ausschreibungen der Stadt geht das natürlich immer. Bestimmt wäre es auch spannend, entsprechende Unternehmen beim Fachgespräch dabei zu haben. Und noch ein heißer Tipp an alle Unternehmen — da setz ich jetzt mal meinen Hut als Vorstandsmitglied im Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. auf: Werdet Mitglied bei Buy Social Deutschland >>>. Wir bauen dort gerade ein Netzwerk mit genau dieser Idee auf: Wenn Unternehmen Produkte und Dienstleistungen sowieso einkaufen müssen, wieso dann nicht von Sozialunternehmen? So gewinnen klassische Unternehmen Nachhaltigkeitsinnovationen für ihre Lieferkette und Sozialunternehmen verlässliche Partner für noch mehr Wirkung. Ich hoffe, dass wir in diesem Rahmen auch öffentliche Partner finden. Für München arbeite ich selbstverständlich bereits daran.
GREENSTYLE: Welche Rolle spielen faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in der Politik?
Julia Post: Textilproduktion muss grün UND fair sein. Die Überprüfung und Messung von fairen Arbeitsbedingungen ist aber leider in der Realität deutlich schwieriger als von Umweltstandards. Deshalb stellt uns dieser Bereich in der Beschaffungspolitik vor größere Herausforderungen.
GREENSTYLE: Können wir uns hier auf next steps in der Stadt München freuen?
Julia Post: Was wirklich ein unglaublicher Erfolg meiner Initiative wäre und worauf ich dezidiert abziele, ist die Erweiterung von KO-Kriterien und Mindestanforderungen. Derzeit gilt: Anbieter von Textilprodukten (Shirts, Hemden, Kopfbedeckungen, Warnschutz- und Wetterschutzkleidung) können einen Zuschlag nur dann erhalten, wenn die angebotene Ware mit dem Label „ÖkoTex Standard 100“ oder vergleichbar ausgezeichnet ist. Es prüft die Schadstoffrückstände am Endprodukt. Ich finde: Da geht noch mehr! Dieses Siegel berücksichtigt bspw. nicht die gesamte Produktionskette und lässt die Arbeitsbedingungen komplett außen vor. Außerdem sollten noch viel mehr Textil-Produkte mit aufgenommen werden. Was ist zum Beispiel mit Geschirrtüchern, Hosen oder Jacken? Und schon ab nächstem Jahr wird der Münchner Modepreis „fair & sustainable fashion Preis“ prämiert. Es gibt also viele next steps in München, auf die wir uns freuen und an denen wir vor allem gemeinsam arbeiten können.
Ideen und Lösungsansätze sind da. Ich will, dass diese Ideen über sich hinauswachsen und Realität werden.
GREENSTYLE: Was wünschst du dir für die (textile) Zukunft?
Julia Post: Die Ideen und Lösungsansätze sind da. Ich will, dass diese Ideen über sich hinauswachsen und Realität werden. Diese Zukunft passiert uns nicht einfach, wir machen sie.
Mein Tipp: Hört unbedingt in Julias Wahlkampf Podcast „Zukunftsschmiede“ rein >>> und begleitet sie auf dem Weg in den bayerischen Landtag. Denn von Julia können wir alle lernen, wenn es darum geht, wie man Wandel möglich macht.