Sagt mal, PUREVIU, was bedeutet der Name und wie spricht man ihn aus?
PUREVIU setzt sich aus dem englischen Wort PURE und dem Akronym VIU für View zusammen und bedeutet so viel wie klare Sicht, klarer Blick. Zugegeben, auch wir mussten ein bisschen üben, um ihn geschmeidig über die Lippen zu bekommen, am besten, man macht zumindest anfangs eine kleine Pause zwischen PURE und VIU. Aber der Name passt perfekt und sieht gut aus 😉 Zudem gibt es das Wort viu auf Katalanisch tatsächlich und bedeutet „lebendig“, ein Begriff, mit dem wir all unsere Protagonist:innen im Heft beschreiben würden: immer in Bewegung, aufgeschlossen, dem Leben zugewandt.
Wie kommt man auf die Idee, ein eigenes Magazin zu gründen?
Hinter PUREVIU stecken Mirjam Smend und Heike Littger, und wir beide haben in den vergangenen Jahren als Redakteurinnen und Autorinnen für verschiedene Verlage viele Gespräche mit Menschen geführt, die die Modewelt neu denken und neu gestalten. Jedes Mal ein inspirierender Austausch, der uns beflügelt hat. Doch jedes Mal auch das Gefühl, dass wir wesentlich mehr Platz bräuchten, um in unseren Texten all das erzählen zu können, was erzählenswert ist.
2021 haben wir uns entschieden, ein eigenes Magazin zu gründen, um die Menschen, die sich in der Mode bereits auf den Weg gemacht haben, besser ins Rampenlicht zu rücken. Ihnen mehr Sichtbarkeit zu geben. Und ihr Engagement und ihre Arbeit gebührend zu würdigen. Sie zeigen, wie viel Kreativität, Wissen und Können in Kleidung, Schuhen und Accessoires stecken, wenn wir sie nicht als Wegwerfware betrachten! Wie viel politisches und emanzipatorisches Potenzial! Aus unserer Sicht ist das wichtiger denn je.
Warum ist das wichtig?
In Gesprächen hören wir immer wieder: Mode, nachhaltige Mode, ist ja ganz nett, aber nicht so mein Thema. Das ist wirklich verblüffend. Denn jeder von uns trägt Kleidung und fällt im Durchschnitt 60 Mal pro Jahr eine Kaufentscheidung, mit der er bewusst oder unbewusst Gefahr läuft, eine der schmutzigsten Industrien zu unterstützen.
Die Modeindustrie
- verursacht mehr Treibhausgase als die internationale Luft- und Seeschifffahrt zusammen;
- leistet unter anderem durch Zwangsarbeit den zweitgrößten Beitrag zur modernen Sklaverei;
- trägt durch kulturelle Aneignung maßgeblich zum Verlust traditioneller Handwerkskunst bei.
- …
Um hier einen Wandel zu schaffen, müssen wir das Thema ernster nehmen – und dürfen es nicht weiterhin als „Mädchenkram“ in die Bedeutungslosigkeit abschieben.
Doch keine Angst. Bei PUREVIU geht es nicht um Belehren oder Bekehren, sondern vor allem um Begeisterung. Weil Wissen alleine ganz offensichtlich nicht reicht und Begeisterung mehr Potential hat, wirklich zu uns durchzudringen. Wir nehmen neue Perspektiven ein, kommen in Bewegung, haben auch noch Spaß dabei und stecken im besten Fall unser Umfeld mit an. Ganz nach dem Motto: “We don’t need a handful of people doing it perfectly. We need millions of people doing it imperfectly.” Das Tolle: In jeder Stadt gibt es Aktivist:innen, Designer:innen und Unternehmer:innen, die bereits losgegangen sind und uns gerne mitnehmen.
Fashion Change lässt sich unmittelbar erleben.
In der eigenen Stadt, oftmals im eigenen Viertel.
Und jede:r kann sich ihm anschließen.
Deswegen auch die Kombination aus Mode-, People- und Stadtmagazin?
Genau. PUREVIU widmet jede Ausgabe einer Stadt und verleiht dadurch dem Fashion Change ein Gesicht, macht ihn greifbarer und für jeden unmittelbar erfahrbar. Es macht einfach einen Unterschied, wenn man weiß: Hey, in meiner Stadt, in meinem Viertel, vielleicht sogar direkt nebenan leben und arbeiten Menschen, die es anders machen, nach Antworten suchen und um bessere Alternativen ringen. Auch unsere Progagonist:innen sind nicht perfekt, haben keinen Masterplan in der Tasche und schon gar nicht auf alle Fragen eine Antwort parat. Doch sie versuchen Impulse zu setzen, Wirkung zu entfalten und Schritt für Schritt voranzuschreiten – in Richtung soziale, faire und ökologische (Mode)-Welt.
Was sind die Unterschiede und was sind die Gemeinsamkeiten eurer Fashion Changer?
Was sie unterscheidet, ist ihre Motivation und ihre Lösungswege. Den einen geht es um den sozialen Aspekt: Wie kann ich mithilfe von Mode die Lebenssituation von Menschen verbessern? Gerade Frauen können nähen, stricken, häkeln, weben – um diese Skills zu nutzen, braucht es kein extra Training. Den anderen geht es um ökologische Aspekte: Wie kann ich durch clevere Schnittführung Stoff einsparen oder Kleidungsstücke aus Monomaterial herstellen, damit sie wirklich recycelt werden können. Wieder andere machen sich auf EU-Ebene für strengere Regeln stark und knüpfen weltweit neue Allianzen. Was sie eint, ist ihre Haltung, ihr Mindset, ihre Extraportion an positiver Energie. Sie haben für sich selbst Grenzen definiert, die sie nicht (mehr) überschreiten wollen und innerhalb dieser Grenzen neue Freiheiten entdeckt. Mode nachhaltig zu gestalten bedeutet für sie keineswegs Verzicht. Sondern Kreativität, Innovation, Qualität, Wertschätzung und Verbundenheit.
Wie ist PUREVIU aufgebaut? Was erwartet eure Leser:innen?
Die erste Ausgabe dreht sich um München – mit unserer Heimatstadt zu beginnen, lag für uns auf der Hand. Auf jeweils zehn bis 14 Seiten präsentieren wir sechs Fashion Changer und vier Fashion Changer Teams aus der Stadt. Darunter
- die Journalistin und Auslandskorrespondentin Senada Sokollu, die mit ihrem Label Fitbuddha verwitwete Frauen in der Türkei neue Perspektiven eröffnet;
- die beiden Designerinnen Anna Karsch und Michaela Wunderl-Strojny, die ihr eh schon nachhaltiges Modelabel Akjumii nach Jahren des Erfolgs noch einmal komplett auf den Prüfstand gestellt haben;
- die beiden AMD-Absolventinnen Carmen Jenny und Sonja Wunderlich, die letztes Jahr mit ihrer Fashion Rental App Clothesfriends an den Start gingen und
- der Textilentwickler Philipp Langer, der mit LangerChen schon seit Jahren zeigt, dass „Made in China“ nicht zwangsläufig fiese Massenproduktion bedeuten muss.
Außerdem gibt es eine Modestrecke mit den wunderbaren Münchner Models Josephine Tolno, Yasmin Salifou und Romeo Lingl. Die drei zeigen auf 20 Seiten, wie cool gebrauchte und geliehene Mode aussehen kann. Und ein “How to mend my Denim”-Tutorial von der Münchner Textil&Fibre-Artistin Judith Hettlage.
Um zu zeigen, dass die Community weit über die Stadtgrenze hinausreicht, werden wir in jeder Ausgabe zusätzlich einen Gastbeitrag und ein Gastgespräch bringen. Zum Auftakt mit dabei: Upcycling-Expertin Arianna Nicoletti (Berlin) und die beiden Nachhaltigkeitsexpertinnen Lisa Wagner (Frankfurt am Main) und Marina Chahboune (Jakarta).
Wie viele Seiten hat euer Magazin und wieviel kostet es?
Unsere erste Ausgabe hat 162 Seiten und kostet 20 Euro. Der Preis kommt zustande, weil wir nicht wie konventionelle Modemagazine Anzeigenpreise von mehreren Tausend Euros pro Seite aufrufen können, für viele nachhaltige Labels sind schon 300 Euro zu viel. Hinzukommt ein Papierpreis, der sich allein in den vergangenen 12 Monaten nahezu verdoppelt hat, und die viele Arbeit, die in das Heft geflossen ist. Nachhaltigkeit bedeutet auch, mit den Ressourcen und der Leistung von anderen und sich selbst wertschätzend umzugehen.
Perfekter Moment, um uns zu verraten, wer euch alles unterstützt hat … so ein Heft entsteht ja nicht zu zweit.
Stimmt, damit aus einer Idee und Texten ein gutes Magazin entstehen kann, braucht es etliche Supporter. Allen voran sei unsere Art Direktorin und Mitgründerin Yinin Got genannt, von der ersten Stunde mit an Bord. Unsere Fotografin der Modestrecke Julie March und ihr gesamtes Team. Unsere Korrektorin Maud Roßdeutscher. Konstantin Doukas, der unsere Homepage entwickelt hat. Benedikt Wild, der uns mit seiner Druckerei F&W im Chiemgau super beraten hat in puncto Papier, Farbe und CO2-Kompensation. Michèle Hofmann, Mayumi Bockhold, Florens Smend … und dann natürlich unsere Companions, die uns ihre (auch finanzielle!) Unterstützung bereits zusicherten, als die erste Ausgabe noch am Entstehen war:
Dr. Hauschka, Frijda Juni, Grüner Knopf, LANIUS, Oeko-Tex, Dawn Denim, Daotey, Fejn, Maren Jewellery, Seads, Viktoria Moser, Volans Swimwear
PUREVIU ist nicht so groß wie ein klassisches Modemagazin, aber auch nicht so klein wie ein Buch. Warum habt ihr euch für ein Mittelformat entschieden?
Uns ist es wichtig, dass man das Magazin in seine Tasche stecken und mitnehmen kann. Um auch in der S-Bahn, in der Mittagspause oder im Wartezimmer darin zu lesen – vielleicht eine ganze Geschichte. Vielleicht auch nur ein Zitat, eine Maginalspalte oder einen der zehn Steckbriefe zu jedem Fashion Changer mit allerlei Tipps und persönlichen Einblicken. Wir verstehen PUREVIU als Einladung, immer tiefer einzutauchen, mehr zu erfahren, motiviert, inspiriert, ja, vielleicht auch berührt zu werden. Weniger als schmuckes Coffeetable-Piece. Auch wenn natürlich unser Magazin allein durch seine Fadenbindung ebenfalls optisch zu glänzen weiß 😉
Ab wann und wo kann man das Heft kaufen? Und welche Stadt ist als nächstes dran?
Ab dem 2. Juni über unsere Homepage oder in ausgewählten Stores der Stadt, wie dem Akjumii-Store in der Reichenbachstraße 36 in München und dem Frijda Juni Concept Store, Schubertstraße 2 in Gröbenzell. Alle Adressen sind ab dem 2. Juni über unsere Homepage pureviu.de zu finden. Die nächste Stadt ist bereits in Planung, wir verraten aber noch nicht, wohin die Reise geht, voraussichtlich Richtung Norden.
Erfahre ich in eurem Heft, wo ich in meiner Stadt mit gutem Gewissen nachhaltige Mode kaufen kann?
Viele Menschen, mit denen wir über PUREVIU sprechen, denken tatsächlich, es handele sich um eine Art Cityguide für nachhaltige Mode. Offensichtlich sind wir so konditioniert, dass wir bei Mode und auch nachhaltiger Mode an Konsumieren denken und automatisch Shopping-Tipps erwarten. In den Steckbriefen verraten unsere Protagonist:innen zwar den ein oder anderen Lieblingsladen in ihrer Stadt, aber hauptsächlich geht es darum, die Leser:innen zu animieren, grundsätzlicher über Mode nachzudenken und die vielen Verstrickungen zu sehen. Es geht nicht darum, sein konventionelles T-Shirt durch ein T-Shirt aus Biobaumwolle zu ersetzen. Es geht darum, in Beziehung zu treten zu den Dingen, die wir buchstäblich auf unserer Haut tragen. Welche Geschichten haben sie zu erzählen und wollen wir Teil davon sein? Hier einen Impuls zu setzen – das ist es, was wir mit PUREVIU wollen.
PUREVIU
… ist Mode-, People- und Stadtmagazin in einem und verleiht dadurch dem Fashion Change ein Gesicht, macht ihn greifbarer und für jede:n unmittelbar erfahrbar.
… setzt auf lange Lese- und Bilderstrecken, um die Sichtbarkeit der Protagonist:innen zu erhöhen und die Relevanz des Themas zu verdeutlichen.
… begeistert und motiviert, die Fashion Changer der eigenen Stadt kennenzulernen, sich mit ihnen zu verbinden und sich gegenseitig zu verstärken.
… erscheint in hochwertiger Aufmachung, um die Interviews, Porträts und Essays ohne Halbwertszeit möglichst lange zu bewahren.
… will dazu beitragen, Mode (wieder) zu dem zu machen, was sie sein kann: fair, nachhaltig, wertgeschätzt und verbindend.
PUREVIU ist ab 2.6.2022 u.a. erhältlich über pureviu.de