Die Produktionskette wird akribisch kontrolliert, während die Auswahl der Models oberflächlich abläuft. Diese Beobachtung hat Anna Voelske bei ihren Shootings immer wieder machen können. Nicht selten kam es kurze Zeit nach dem Eco Shooting dazu, dass die Models für Firmen zu sehen waren, die nicht mit der Nachhaltigkeits- und Fairnessphilosophie verbunden sind. Dieses Problem löst die von ihr gegründete Agentur Fair Model.
Mirjam Smend: Was unterscheidet Deine Models von anderen Models?
Anna Voelske: Nachhaltigkeit spielt für unsere Models eine sehr große Rolle. Deshalb wollen sie nur mit Kunden zusammenarbeiten, die ihre Einstellung teilen. Themen wie plastikfrei einzukaufen, Umweltbewusstsein in die Kindererziehung zu implementieren, reparieren statt neu zu kaufen – das ist für unsere Models Alltag. Aber alle haben ganz individuelle Geschichten zu erzählen: Eine betätigt sich als Unicef Ambassador. Sandra berät Modemarken auf dem Weg zur Nachhaltigkeit und betreibt einen Fashionblog. Der nächste beschäftigt sich mit CO2 neutralem Tourismus. Eine andere hat einen Shop für nachhaltige Labels und einer verbreitet in seiner Tätigkeit als Pastor ganz nebenher noch das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Alltag…
Jedes unserer Models kann persönliche Geschichten zum Thema Nachhaltigkeit erzählen und steht mit seinem Lifestyle für die Werte, die unsere Kunden vertreten.
Mirjam Smend: Welchen Vorteil bringt Fair Model für den Kunden?
Anna Voelske: Die Kunden achten sehr darauf wie ihr Produkt produziert wird, Inhaltsstoffe bei Nahrungsmitteln, Kosmetik und Zertifizierungen sind wichtig. Deshalb ist es so wichtig, wer das Produkt präsentiert, wer das Testimonial ist? Unsere Models sind ein perfect match. Stichwort Storytelling auf Social Media: Sie sind authentischer Content.
Mirjam Smend: Was bedeutet es für Deine Models, wenn sie bei Dir unter Vertrag sind?
Anna Voelske: Sie können sich darauf verlassen, das wir sie nur an Kunden vermitteln, die ihre nachhaltige Philosophie teilen. Unsere Models dürfen auch für andere Agenturen tätig sein. Aber sie dürfen auch dort nur Jobs für nachhaltige Firmen annehmen.
Mirjam Smend: Wie definierst Du Nachhaltigkeit?
Anna Voelske: Schwierige Frage. Es geht darum ressourcenschonend zu agieren. Ganz konkret: Wie wird die Welt durch mich persönlich nicht weiter belastet. Nachhaltigkeit bedeutet über das eigene Leben hinauszudenken, sodass die nächsten Generationen von unseren Entscheidungen langfristig profitieren, statt alles retten zu müssen was wir vermasseln. Verantwortungsvolles handeln und mitdenken für die nächsten 6-8 Generationen ist emotional nicht vorgesehen. Nachhaltigkeit ist eine rationale Entscheidung. Die Entscheidung das Richtige zu tun.
Die nächsten Generationen sollen von unseren Entscheidungen langfristig profitieren, statt alles retten zu müssen was wir vermasseln.
Mirjam Smend: Welche Rolle spielt nachhaltige Mode in Deinem Leben?
Anna Voelske: Meine Mutter ist Modedesignerin. Ich bin in einer Schneiderei aufgewachsen und kenne den Aufwand, die Energie, den Einsatz hinter jedem Kleidungsstück. Daher schätze ich jedes meiner Kleidungsstücke in meinem sowieso minimalistischen Kleiderschrank. Bei uns zuhause gab es die Regel: Wenn man etwas neue Klamotten kauft, muss was anderes dafür gehen. Sprich: Es muss verschenkt oder anderweitig sinnvoll weitergegeben werden.
Mirjam Smend: Wie kommen die Models in deine Kartei?
Anna Voelske: Vor zwei Jahren haben wir das erste Shooting gehabt und füllen seither die Kartei. Jede Woche bewirbt sich mindestens ein Model bei uns. Ansonsten scoute ich auf nachhaltigen Events und Messen. Und ich schaue viel bei Instagram. Auf der Straße ansprechen funktioniert eher weniger, da man niemandem die Nachhaltigkeit ansehen kann.
Neben den klassischen Elementen beinhaltet das Auswahlverfahren auch ein Motivationsschreiben.
Mirjam Smend: Nach welchen Kriterien suchst Du die Models aus?
Anna Voelske: Die Bewerbung beginnt mit einem Portrait- und Ganzkörperbild plus Maße und dann natürlich, ob ich auch potentielle Kunden für diesen Typ sehe. Ganz neu bei uns ist eine 52jährige, für die ich schon zwei konkrete Projekte habe. Neben den klassischen Elementen beinhaltet das Auswahlverfahren auch ein Motivationsschreiben, warum sie ein Fair Model werden möchten. Immerhin verpflichten sich dazu, ausschließlich für nachhaltige Firmen zu arbeiten und entscheiden sich dafür, eventuell lukrativere Jobs abzulehnen. Und ich lade jedes Model persönlich für ein Sedcard-Shooting in unser Studio in Butzbach ein, um es näher kennenzulernen.
Mirjam Smend: Wie wird das Konzept angenommen?
Anna Voelske: Von den Models sehr gut. Es würden auch noch viel mehr zu uns wechseln, wenn das Interesse und Verständnis auf Kundenseite schon größer wäre. Aber die Firmen, die mit uns zusammenarbeiten sind begeistert. Es ist eben eine Nische, die wir besetzen. Das dauert noch ein bisschen. Aber der Bedarf wird erkannt werden.
Wir haben mit acht Models begonnen. Aktuell haben wir ca. 30. Manche hören aus privaten Gründen wieder auf. Aber die Tendenz ist ganz klar steigend.
Mirjam Smend: Und wie wählst Du die Unternehmen aus, für die Deine Models dann tätig werden?
Anna Voelske: Die Firmen, die mit uns zusammenarbeiten sind aus der Bio-Branche. Mit unseren Kriterien sind wir streng. Dazu orientiere ich mich an gängigen Standards, die auch auf Messen wie NEONYT, Innatex oder GREENSTYLE gelten. Stichwort Greenwashing: Das muss man natürlich im Blick haben, aber gleichzeitig auch den Firmen die Chance geben, nachhaltiger zu werden.
Mirjam Smend: Musstest Du Anfragen von Models/Unternehmen ablehnen?
Anna Voelske: Die Zusammenarbeit mit Models hat schon einige mal nicht funktioniert, weil sie sich nicht ausreichend von herkömmlichen Firmen distanzieren konnten. Meistens aus monetären Gründen, was ich verstehen kann. Ich hoffe, dass die Szene/die Kunden bald konsequenter werden, sodass mehr Models es sich auch leisten können bei uns zu sein.
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Nicht verpassen: Das Interview von Mirjam Smend mit Anna Voelske für enorm Magazin