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VinoKilo

The new new VinoKilo – Interview mit Robin Balser

Gebrauchte Mode bezeichnet VinoKilo-Gründer Robin Balser als sein Leben und die Chance, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Welt nicht endlich wird. 400 Tonnen Kleidung hat er mit seinen Second hand Popup-Events in ganz Europa und seiner neuen eCommerce Plattform schon das Leben gerettet.

Eigentlich gibt es bei VinoKilo ständig Gründe zum Feiern – 5 Jahre VinoKilo, größtes Second Hand Event in Europa, Gründer Robin Balser in der Forbes 30 Under 30 Liste, erfolgreiches Rebranding (hello, #TheNewNew), Ausbau des E-Commerce Bereichs, Kooperationen mit einer großen Fashion Plattform – wenn da nicht zahllose Events wären, die VinoKilo-Gründer Robin Balser Pandemie-bedingt hätte absagen müssen. Wir haben mit dem Game Changer aus Mainz über seine Visionen, seine Passion und sein Business gesprochen, das er in den letzten Monaten nicht nur einmal retten musste.

GREENSTYLE: Robin, für alle die Dich nicht kennen: Wie kam es zu ViloKilo?
Robin Balser: Unser erstes Event haben wir tatsächlich vor 5 Jahren gemacht. Damals hatten wir eine Weekend-Idee. Und wir haben gesehen, wie das auflösen des klassischen Geschäfts super funktioniert hat. Wir haben Kilokauf angeboten. Wir haben die Idee nach Mainz gebracht, aber wir haben niemals damit gerechnet, dass das so durch die Decke geht. Voll auf VinoKilo bin ich erst Anfang 2017 umgestiegen. Bis dahin hatte ich einen Zweitjob, von dem ich auch immer wieder Geld in VinoKilo und mein Team gesteckt habe.

GREENSTYLE: Wie waren die letzten Monate für Euch?
Robin Balser: Im März 2020 haben wir die Veranstaltungen in Italien abgesagt, weil wir gesehen haben, was da los war. Stattdessen sind wir nach Norwegen, Schweden, Luxemburg und Deutschland ausgewichen. Aber am mittleren Märzwochenende hat es in allen Ländern gleichzeitig geknallt – da mussten wir dann alles absagen. Bei uns hat es genauso wie bei Euch gescheppert.

GREENSTYLE: Ihr habt mit einer erfolgreichen Funding-Kampagne VinoKilo gerettet. Welche Erfahrung hast Du dabei gemacht?
Robin Balser: Wir hatten nicht genügend Cash reserve. Nur für einen Monat, aber unser Team bestand aus 40 Leuten. Das sind viele Fixkosten. Wir haben bei der Regierung angefragt, bei privaten Leuten und wir haben Crowdfunding gemacht. Damit konnten wir auch nicht alle Kosten decken. Aber über die Kampagne sind tolle Menschen auf uns aufmerksam geworden, bei denen wir dann Geld leihen konnten.
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GREENSTYLE: Wann ist die Idee entstanden, VinoKilo in die digitale Welt zu transformieren?
Robin Balser: Wir haben immer schon ein bisschen eCommerce gemacht und wollten das schön längst größer angehen. Auf unserer Timeline war das für Herbst geplant. Das haben wir dann ab März stark gepusht und ganz gute Umsätze generiert. Ich bin ganz offen: Vom Cash Flow war das sehr gut – von den Margen her leider nicht, weil wir Fehler gemacht haben und hohe Marketingkosten hatten.

GREENSTYLE: Was habt Ihr für Konsequenzen daraus gezogen?
Robin Balser: Ab April haben wir aktiv darüber nachgedacht, dass Corona die Welt verändern und auch die Fashion Welt nachhaltig verändern wird, indem viele weniger aber besser und bewusster kaufen werden. Entsprechend haben wir VinoKilo positioniert und im April ein Brand Change durchgeführt, der sich ganz stark auf den eCommerce einzahlt.

GREENSTYLE: Weder „Vino“ noch „Kilo“ – beides zentrale Bestandteile Eures Geschäftsmodells – funktionieren digital. Was verbirgt sich hinter #TheNewNew?
Robin Balser: Vino und Kilo sind gerade tatsächlich nicht vertreten. Über einen Namens Change haben wir lange nachgedacht, uns aber dagegen entschieden. Wir haben #TheNewNew für VinoKilo definiert, um unsere Values deutlicher nach außen weiterzugeben. Die Fashionindustrie kann nach Corona nicht so weitermachen wie zuvor: Endloser Konsum, viele Bevölkerungsgruppen werden ausgeschlossen, Rassismus… All diesen Themen wollen wir Second Hand als Alternative entgegensetzen. Mit VinoKilo kann man bewusster und „langsamer“ einkaufen. Und zwar inklusiv und mit unseren Werten.

GREENSTYLE: Ihr habt die Krise als Chance genutzt und seid jetzt noch kraftvoller als vorher?
Robin Balser: Wir haben uns so aufgestellt, dass wir in der Zukunft, wie wir glauben, dass sie wird, im #TheNewNew, als Brand stärker wahrgenommen werden.

GREENSTYLE: VinoKilo funktioniert also in Zukunft hybrid? Analog UND digital?
Robin Balser: Events werden wir weiterhin machen, aber sie werden sich stark verändern. Sie werden nicht mehr nur an einem Tag stattfinden, sondern 3-5 Tage dauern. Wir werden sie als Mini-Festival aufsetzen, wo wir mehr zur Education, Circularity beitragen wollen. Wir wollen lokalen Künstlern eine Plattform bieten. Parallel haben wir den eCommerce Shop, der auch für Leute mit dissabilities zugänglich wird. Wir werden Transgender Kollektionen anbieten. Wir werden ‚inclusive as it can be‘.

Robins Ansatz für #TheNewNew: Wir werden ‚inclusive as it can be‘.

GREENSTYLE: Second Hand boomt seit einiger Zeit. Wie erklärst Du Dir den Wandel?
Robin Balser: Der Wandel war schon länger im Kommen. Es kamen immer mehr News. Anfang dieses Jahres hat Virgil Abloh Vintage Second Hand als die Zukunft der Mode bezeichnet. Wenn Leute aus dem kommerziellen Bereich überall in die Welt raussprechen, dann ist das ein Accelerator über alle großen meinungsbildenden Plattformen der Welt. Das hat während Corona noch stärker zugenommen. Während Corona habe ich täglich Zeitungen und Wirtschaftsmagazine aufgeschlagen – all die Geschäfte, die auf hunderten Tonnen Kleidung sitzen. Das hat dem Konsumenten verdeutlicht, dass er diesen Cycle anstößt und wie er das verändern kann. Das hat zu einem Umdenkprozess geführt. Das spüren wir auf unseren Events ganz deutlich.
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GREENSTYLE: Hat die High Fashion Second Hand chic gemacht?
Robin Balser: Es sind mehrere Faktoren: Einmal die Fridays for Future Bewegung, die vielen Menschen die Augen geöffnet hat. Auch Corona hat viel aufgedeckt hat, was mit der Modeindustrie und dem Einzelhandel zu tun hat, was dem Verbraucher bislang nicht bewusst war. Und ich glaube, dass viele konventionelle Influencer*innen Second Hand salonfähig gemacht haben, als sie der breiten Öffentlichkeit erzählt haben, dass Second Hand cool ist. Viele junge Leute haben sich plötzlich auf das Thema gestürzt. Das hat zu einem richtigen Push geführt.

GREENSTYLE: Gucci, COS, Levi’s, About You – plötzlich setzen auch die Big Player auf gebrauchte Kleidung. Wie siehst Du das? Einfach ein neues Geschäftsmodell, ein zirkulärer Ansatz oder pures Greenwashing?
Robin Balser: Ich sehe das differenziert. Es ist gut, dass pre-owned, pre-loved, Second Hand diese Popularität erfährt. Andererseits sehe ich auch, dass viel Greenwashing dabei ist. Die Firmen fahren riesige Marketing- und PR-Kampagnen zu Second Hand und am Ende ist nicht mal ein Prozent der angebotenen Produkte Second Hand. Zalando hat 170.000 Produkte – 15 Produkte davon sind Second Hand. Da fehlt mir ein bisschen der Glaube, dass das vom Herzen kommt. Bei mir kommt alles aus Überzeugung und vom Herzen. Bei den anderen Firmen sitzen Manager, die auf einbrechende Sales reagieren, indem sie auf Trends aufspringen. Ein richtiges Konzept haben aber nur wenige. Die wirklich Nachhaltigen versuchen ihr Sortiment Stück für Stück zu verändern, das Thema zu pushen, auch wenn es richtig viel Geld kostet. Das machen die meisten Firmen nicht. Sie müssen Shareholder happy machen. Money first.

GREENSTYLE: Kurz für uns zum Verständnis: Woher bekommt Ihr Eure Klamotten eigentlich?
Robin Balser: Ich habe vor sechs Jahren angefangen, indem ich bei einem Recycler 600 Kilo Second Hand B Grade aufgekauft habe. Ich habe mir Sachen ausgesucht, von denen ich gedacht habe, dass sich die gut verkaufen. Das war der Stock für unseren ersten Kilo Sale. Dann sind wir so gewachsen, dass wir es nicht mehr geschafft haben, selbst durchzugehen und zu sortieren. Inzwischen arbeiten wir mit 50 Recyclern überall in Europa zusammen. Wir haben Leute vor Ort, die die Millionen von weggeworfenen Kleidungsstücken durchgehen und diejenigen Teile rauspicken, die wir am besten vertreiben können.

GREENSTYLE: Wie hoch ist den die Erfolgsquote für Deine „Picker“?
Robin Balser: Das Rauspicken ist eine riesengroße Arbeit. Es wird so unglaublich viel weggeworfen. Was wir da mühsam rausholen ist ein Bruchteil von dem was weggeworfen wird. Es schmerzt zu sehen, dass wir nur wenige Prozent der weggeworfenen Sachen ins Leben zurückholen können. So viel wird zu Putzlappen verarbeitet oder auf anderen Märkten verkauft.

GREENSTYLE: Und wieviele Klamotten sind das pro Jahr, die bei Euch im Lager eintrudeln?
Robin Balser: Aktuell haben wir 200 Tonnen Kleidung auf Lager – das sind umgerechnet etwas mehr als 400.000 Teile. Das ist in etwa die Größenordnung, die wir pro Jahr verkaufen.

GREENSTYLE: Was passiert mit Stücken, die Ihr nicht verkaufen könnt?
Robin Balser:
Wir verkaufen 97,5 Prozent unserer Items. Leider werden 2,5 Prozent so zerstört, das auch meine Oma sie nicht mehr reparieren kann. Dann machen wir Sitzkissen und andere Sachen daraus, die wir auf unseren Events nutzen können. Weggeworfen wird nichts. Auch bei uns in der Firma versuchen wir für alles eine nachhaltige Lösung zu finden. Alles Plastik, das wir verwenden wird gepresst und zu Möbeln oder anderen Artefakten kreiert.

Gebrauchte Mode ist mein Leben und eine Chance, einen Beitrag dazu zu leisten, dass unsere Welt nicht endlich wird. Robin Balser

GREENSTYLE: Du machst seit einigen Jahren in verschiedenen Städten und Ländern sehr erfolgreich Deine VinoKilo Events. Konntest Du über die Jahre Veränderungen beobachten?
Robin Balser: Eine Sache, die sich sehr stark verändert hat ist die Akzeptanz für Second Hand. Das spüren wir deutlich. Früher waren das ein ganz anderer Menschenschlag, der sich Second Hand gekleidet hat. Man war der ‚odd one out‘, man war einfach anders als die anderen. Alle Leute, die mit mir gearbeitet haben haben Second Hand getragen. Wir wurden ständig gefragt, was es mit Second Hand auf sich hat. Ob es riecht. Die Fragen waren schon sehr Stigma-belastet. Das hat sich gewandelt. Es ist ein mainstreamigeres Thema geworden. Wir glauben, dass sechs von zehn Leuten Second Hand als Alternative akzeptieren.
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GREENSTYLE: Eure Statistiken?
Robin Balser: Mein Marketingteam macht immer wieder Kundenbefragungen und -analysen, um zu sehen, wo wir stehen.

Die Anzahl an weggeworfener Fast Fashion pro Tonne hat zugenommen. Der Throw-Away-Basket hat durch die Pandemie eine schlechtere Qualität bekommen.

GREENSTYLE: Die Pandemie hat große Spuren im Modemarkt hinterlassen. Wie hat sie sich auf den Altkleidermarkt ausgewirkt?
Robin Balser: Es ist super interessant, was gerade passiert. Es gibt die Kollaps-Story – finanziell genauso wie mit der Arbeit, bei der man nicht hinterhergekommen ist. Es gab eine sehr starke Qualitätsverwässerung, weil die Leute während Corona mehr weggeworfen haben. Sie haben ihre Kleiderschränke aussortiert und Dinge weggeworfen von denen sie sich trennen wollten, weil sie gemerkt haben, dass es nicht richtig ist, solche Sachen zu kaufen. Viele Vertriebsmärkte von Recyclern waren zu – das ist ein Riesenfaktor. Tendenz steigend.

GREENSTYLE: Ihr wollt etwas verändern. Wo siehst Du den größten Hebel in Bezug auf positive Veränderung der Modeindustrie?
Robin Balser: Den größten Hebel sehe ich beim Konsumenten. Das mag unpopulär sein, aber ich glaube, dass der Konsument viel zu oft aus der Verantwortung genommen wird. Wenn der Konsument bewusstere Entscheidungen trifft, wird das zu einer Kettenreaktion führen, die die Firmen zu stärkerem Umdenken zwingt. Das wird dann hoffentlich dazu führen, dass die Firmen verschwinden oder sich verändern. Damit die Fashion-Landschaft ‚more responsible‘ wird.

GREENSTYLE: Wovon träumst Du? Wohin möchtest Du mit VinoKilo?
Robin Balser: Ich sehe VinoKilo am Anfang. Wir haben mit Vintage angefangen. Heute ist das ein Hype. Damals habe ich Kleidertausch und Kleidungsbibliothek gemacht. Wenn ich sehe, wie wir uns entwickeln, hoffe ich, dass wir zum Ausgangspunkt zurückkommen. Dass Kleidung geteilt wird. Dass jeder Mensch dreiviertel seines Kleiderschranks nicht mehr braucht, weil er dauernd die Chance hat, sich kreativ anzuziehen, weil er unkompliziert mit Second Hand Kleidung versorgt wird.

GREENSTYLE: Was wünscht Du Dir für die Zukunft?
Robin Balser: Ich wünsche mir, mich einbezogen, dass wir Menschen bewusster leben. Dass man sich selbst betrachtet und sich verändert, damit die Kinder unserer Kinder in einer wunderschönen Welt groß werden.
Danke für das Gespräch, Robin!
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