Skip to content
Sustainable Styling

Sustainable Styling // Interview mit Julia van Almsick

Neu stylen und ändern statt einfach nur Shoppen. Julia van Almsick aka The Munich Stylist ist sustainable Stylistin in München und erklärt, was sie anders bzw. einzigartig macht und warum für sie nur nachhaltiges Styling in Frage kommt.

Was als Kleiderschrank-Revolution der Slowfashion Community vor einigen Jahren auf Instagram angefangen hat, wurde professionalisiert. Anstelle von immer neuen Teilen, die ein Personal Stylist mit den Kund*innen zukauft, geht es beim Sustainable Styling darum, mit bereits vorhandenen Sachen aus dem Kleiderschrank zu arbeiten. Diese zu neuen Lieblingslooks zu kombinieren. Dazu fehlt vielen das geschulte Auge. Trotz vollem Kleiderschrank wissen wir nicht, was wir anziehen sollen? Hier kommt Sustainable Styling ins Spiel.

Wir haben einen vollen Kleiderschrank und trotzdem nichts anzuziehen.

Julia van Almsick ist gelernte Maßschneiderin und hat Textil- und Bekleidungstechnik studiert. Sie war über zehn Jahre in der Produktentwicklung, Produktionsvorbereitung und im internationalem Vertrieb tätig, bevor sie sich als Beraterin für Start-Ups-und Gründer*innen in der Bekleidungsbranche selbständig gemacht hat. Ihre Leidenschaft für Mode und Nachhaltigkeit lebt sie heute professionell mit Sustainable Styling aus. Beim GREENSTYLE Lounge Talk haben wir uns mit Julia aka The Munich Stylist über ihre Passion unterhalten.

Mirjam Smend: Was verstehst du unter Sustainable Styling und was machst du anders als andere?
Julia van Almsick: Keine Stylistin arbeitet wie eine andere. Was bei mir das Nachhaltige ausmacht ist, dass ich niemanden style, bevor ich nicht den Kleiderschrank kenne. Ich verschaffe mir Einblick, was schon da ist und auf was man aufbauen kann. Was mich möglicherweise unique macht, ist dass ich als gelernte Schneiderin selber Sachen umändern kann, um sie wieder in den Schrank zu integrieren. Mit perfekter Passform und neuem Look.

Mirjam Smend:  Mit was für Fragen kommen die Kundinnen zu dir? Was hörst du am häufigsten?
Julia van Almsick: Die meisten haben im Leben eine Veränderung durchgemacht. Oder die Figur hat sich geändert. Der Kleiderschrankinhalt passt nicht mehr. Nicht zur Lebenssituation, nicht zur Persönlichkeit, nicht zur Figur.

Sustainable Styling

Mirjam Smend: Wie läuft der Kleiderschrank-Check denn ab?
Julia van Almsick: Wir starten immer mit der Ist-Aufnahme. Das ist ein ca. 30-minütiges, kostenloses Kennenlerngespräch am Telefon. Die Kundin verrät mir, warum sie eine Veränderung wünscht und wo sie hinmöchte. Viele wissen das nicht genau. Aber gemeinsam finden wir das heraus. Ich möchte, dass die Kundin definiert, welche drei Style-Attribute sie gerne in ihrem Stil hätte. Klassisch, selbstbewusst etc. Drei Adjektive, die beschreiben, wie sie sich am wohlsten fühlt und wie sie gerne wahrgenommen werden möchte. Ich brauche einen virtuellen Überblick über den Schrank. Deshalb bitte ich darum, dass der Kleiderschrank abgefilmt wird. Auch mit Outerwear und mit Schuhen. Und Fotos, auf denen sich die Kund*innen gut finden. Und ich brauche Fotos von Stil-Vorbildern oder wie sie gerne aussehen möchte. Dann mache ich mich an ein Konzept.

Ich brauche (mindestens!) einen virtuellen Überblick über den Schrank. Dann brauche ich eine Bestandsaufnahme.

Mirjam Smend: Und wie geht es weiter?
Julia van Almsick: Nach dem Vorgespräch schreibe der Kundin eine Mail, damit sie weiß, was sie für den Schrank-Check vorbereiten soll. Dann muss sie selbst eine Bestandsaufnahme machen. D.h. in ihrem Schrank gucken, was da ist. Ich bitte sie für den Termin zwei Stapel rauszulegen. Stapel eins: „ich weiß nicht, was ich damit tun möchte“. Oft kann man da trotzdem etwas retten. Stapel zwei: Teile, die ich „No Brainer“ nenne, die sie sowieso behält. Dann fahre ich zur Kundin nach Hause und wir machen den Schrank-Check. Es wird sortiert, probiert, gestylt. Alle neuen Looks werden fotografiert und im Nachgang von mir zu einem Leporello zusammengefügt. Das kann die Kundin an die Innenseite des Schrankes hängen und weiß dann zu jeder Gelegenheit, was sie anziehen kann.

Mirjam Smend: Was macht ihr mit den Dingen, die die Kundinnen nicht mehr wollen?
Julia van Almsick: Das ist unterschiedlich. Ich biete an, die mitzunehmen, um sie in einem Frauenhaus abzugeben. Die sind sehr dankbar für gut erhaltene Sachen. Die Sachen wasche ich zum Teil bei mir zu Hause. Dafür bekomme ich kein Geld, aber es ist mir wichtig, dass Kleidung im Kreislauf bleibt. Einiges kann ich auf Second-Plattformen verkaufen. Aus manchen Teilen kann man Upcycling Produkte machen. Auf Instagram zeige ich, was möglich ist. Zum Beispiel aus einem zu kleinen Cashmere Jumper werden zwei Wärmflaschen-Cover.
So geht’s >>>

Sustainable Styling
Mottenlöcher im Cashmere-Jumper? (Kl)Eingewaschen? Dann kann man easy ein kuscheliges Wärmflaschen-Cover daraus machen.

Mirjam Smend: Kann das denn jede*r nachmachen?
Julia van Almsick: Meine Anleitungen sind so aufgesetzt, dass man sie nachmachen kann, ohne nähen zu können. Oder dass die Anleitung so genau ist, dass man es auch zum Schneider bringen könnte und er weiß, was er machen soll.

Mirjam Smend: Und wie sieht es anschließend im Schrank aus?
Julia van Almsick: Ich empfehle, dass nicht nach Anlass, sondern dass Hosen zu Hosen gehängt werden, Oberteile zu Oberteilen etc. Und ich gebe Ratschläge zur richtigen Lagerung. Z.B., dass Strick nicht aufgehängt wird. Das man ein System hat, wie man gut Sachen wieder findet.

Die Stylesheets oder die Outfit-Kombinationen, die ich der Kundin gebe, sind nicht nach Anlass sortiert.

Mirjam Smend: Was ist das schönste Kompliment, das du für deine Arbeit bekommen hast?
Julia van Almsick: Eine Kundin hat ein Wahnsinnsmonatsbudget für Mode ausgegeben. Totale Verzweiflungskäufe, weil sie nicht wusste, was ihr steht. Also hat sie einfach alles gekauft. Mein ganzer Kofferraum war danach voll. Sie hat mich gebeten, alles mitzunehmen, damit sie es nicht wieder in ihre Outfits integriert. Jede Woche schreibt sie mir wie wohl sie sich fühlt und wie schön es ist. Aber das Schönste für mich ist eigentlich, wenn wir ganz viel behalten können und ganz viel wieder integrieren können. Und nur ein paar Brückenteile brauchen, um eine ganz runde Garderobe zu haben. Es ist wahrscheinlich für jede Stylistin das Schönste, wenn die Kunden sagen: „darauf wäre ich nie gekommen.“

Mirjam Smend: Wie lange dauert so ein Beratungstermin vor Ort?
Julia van Almsick: Erst nach dem Vorgespräch kann ich ihr sagen, wieviel Zeit die Beratung in Anspruch nimmt. Unter zwei Stunden macht es keinen Sinn. Vier Stunden sind das Maximum. Dann wird es für beide Seiten zu anstrengend.

Manche möchten, mit mir einkaufen gehen, aber ich gehe nicht mit jemanden einkaufen, bevor ich nicht vorher den Schrank gesehen habe.

Mirjam Smend: Und was kostet mich die Beratung ungefähr?
Julia van Almsick: Ich nehme 160 Euro brutto in der Stunde und starte bei mindestens zwei Stunden Da ist alles mit drin. Meine Anfahrt, meine Vorbereitung und die Nachbereitung. Und ein Empfehlungsschreiben in dem zusammengefasst ist, was steht dir, was deine perfekte Rocklänge ist, auf was du beim Einkauf besonders achten sollst. Und ich notiere auch Teile, die meiner Meinung nach in der Garderobe noch fehlen.

 

Sustainable Styling

Mirjam Smend: Du machst auch Personal Shopping? Wie läuft das ab?
Julia van Almsick: Wenn du ein Personal Shopping buchst, würde ich fehlende Teile für dich finden. Das geht auch online, am liebsten gehe ich aber in Secondhand-Läden. Wenn die Kundin dafür offen ist. In München gibt es tolle Secondhand-Läden, wo lauter kuratierte Sachen drinhängen. Ich möchte die Begeisterung für Individualität und für Stil entflammen. Und den Mut, das zu tragen, was mir gefällt.

Viele verstecken sich hinter Marken. Dabei tut es so gut, wenn man zu seinem Look steht.

Mirjam Smend: Gibt es noch andere sustainable Stylistinnen in München?
Julia van Almsick: Rein nachhaltig? Nein. Aber es gibt Stylistinnen, die darauf achten und deshalb nicht zu Zara, H&M und den ganzen Fast Fashion Läden gehen. Die achten auf Qualität. Das ist letztendlich auch ein Attribut der Nachhaltigkeit. Aber jemand, der wie ich auch Kleidung umarbeitet, das gibt’s glaube ich nicht.

Mirjam Smend: Wie läuft das denn mit dem Umarbeiten?
Julia van Almsick: Diese Stücke style ich auf der Figurine und mache Vorschläge. Aus einem Wickelkleid, das viel zu klein gewesen ist, habe ich einen Mantel gemacht. Aus einem zu eng gewordenen Abendkleid habe ich die Abnäher rausgemacht. Nun passt es wieder. Ein Kleid habe ich zum Rock umgearbeitet, weil es zu klein geworden ist. Genaugenommen sind das maßgefertigte Teile, die die Kundin von mir kommt.

Danke für das Gespräch, Julia.

Ihr wollt das auch ausprobieren, seid aber nicht aus München? Macht nichts, denn dank Janine Dudenhöffer (The Sustainable Stylist) gibt es inzwischen Sustainable Styling in vielen Städten.
Hier entdecken >>>

WEITERE ARTIKEL